Startseite / Aktivitäten / Neuigkeiten / Artikelinhalt

Taiwans grüne Welle
Datum 2020-08-25

Nachhaltigkeit und Taiwan – noch vor einigen Jahren wären diese beiden Begriffe wohl selten im selben Satz gefallen. Wie viele Länder der Region hatte die Insel mit einem großen Müllproblem zu kämpfen; auch Wasser- und Luftverschmutzung sind den Bewohnern keinesfalls fremd.

Doch Taiwan ist in Bewegung: In Gesellschaft, Politik und Wirtschaft wächst der Wunsch nach einer nachhaltigeren Zukunft. Auslöser dafür gibt es wohl mehrere. Einerseits beeinträchtigte die Situation die Lebensqualität der Bürger, andererseits schadete sie dem internationalen Image des kleinen Landes. Und nicht zuletzt bekam Taiwan immer stärker die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren. Allein im Jahr 2017 erlebte Taiwan zwei Taifune und enorme Schäden durch andauernden Starkregen, gefolgt von einer nie dagewesenen Hitzeperiode mit durchgängig über 37°C – eine bedenkliche Entwicklung. „Als Inselstaat ist Taiwan den Auswirkungen des Klimawandels besonders stark ausgesetzt.“, heißt es auch aus der Taipeh Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland.

Die Folge: eine erstarkende Allianz von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, die sich für ein nachhaltigeres Taiwan einsetzt.

 

Grüne Politik von ganz oben

Ganz oben auf der Agenda stand für die Regierung dabei zunächst das Thema Müll. Noch vor 20 Jahren produzierte ein einzelner taiwanischer Haushalt im Schnitt etwa ein Kilogramm Müll am Tag, die Recyclingrate lag bei 5 Prozent. 2019 lag dieser Wert bei 55 Prozent – einer der weltweiten Spitzenwerte. Und auch die Müllproduktion konnte deutlich auf unter 0,4 kg pro Person gesenkt werden.

Zu verdanken ist dieser Erfolg einem ausgeklügelten System, das modernste Technologie mit Eigenverarbeitung der Bürger verbindet. Von Recyclingautomaten und Apps, die über Müllabfuhrzeiten informieren, zu strengen Richtlinien für die Mülltrennung, die direkt beim Einsammeln durchgeführt und überprüft werden – die Maßnahmen sind ebenso umfassend wie effektiv.

Auch was den ökologischen Fußabdruck angeht, hat sich die taiwanische Regierung ehrgeizige Ziele gesetzt. Bis 2025 soll der Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix des Landes auf 20 Prozent steigen – von aktuell 4 Prozent. Und bis 2050 will Taiwan die CO2-Emissionen im Vergleich zu 2005 mindestens halbieren.

Um das zu realisieren, setzt Taiwan auf innovative Stadtentwicklung und „Smart City“-Ansätze. In der Hauptstadt Taipei gibt es etwa eine Reihe von „Vertical Gardening“-Projekten, die in der Metropole für bessere Luft sorgen sollen. Allein das Hochhaus-Projekt „Agora Gardens“ absorbiert dabei jährlich 130 Tonnen CO2 – Luxusapartments als Waffe gegen den Smog. Damit von vornherein weniger CO2 entsteht, haben große Städte wie Taipei außerdem massiv in den öffentlichen Nahverkehr investiert.

 

Lokale Nachhaltigkeitsinitiativen

Doch nicht nur auf nationaler Ebene ist das Thema Nachhaltigkeit hoch im Kurs. Auch regionale und lokale Behörden übernehmen Verantwortung. So veröffentlichte sowohl die Stadt Taipei als auch Neu-Taipei 2019 einen „Voluntary Local Review“ (VLR) zum Status der von den Vereinten Nationen erlassenen Sustainable Development Goals (SDG). Mit diesem Instrument können subnationale Regierungen ihren Fortschritt bei der Erreichung der 17 Nachhaltigkeitsziele festhalten und die Strategien mit anderen Städten, Regionen, und letztlich auch mit der eigenen Bevölkerung teilen.

Für den Aufbau einer nachhaltigen Gesellschaft ist das Mitwirken jedes Einzelnen letztlich unerlässlich. Nicht nur im Rahmen des VLR pochen deshalb beide Städte auf eine breite Einbindung der Bevölkerung. Einen „grüneren“ Lebensstil einzuschlagen wird hier sehr begrüßt, was nicht zuletzt die große öffentliche Unterstützung für die Recycling-Initiative oder für das Verbot von Einwegplastik zeigt. Plastiktrinkhalme und Becher „to go“ sind davon ebenso betroffen wie Einkaufstüten – Maßnahmen, die der Bevölkerung durchaus die Fähigkeit und den Willen abverlangen, das eigene Verhalten zu ändern.

 

Unternehmen und die „Green Economy“

Die erstarkende Nachhaltigkeitsbewegung hat auch in der Wirtschaft ihre Spuren hinterlassen. Taiwan ist traditionell besonders stark in der Halbleiter- und Medizintechnikindustrie, sowie in der Unterhaltungselektronik und Freizeit-Branche. Innovation spielt dabei stets eine große Rolle – und dieser Erfindergeist treibt nun junge Unternehmer bei der Entwicklung nachhaltiger Produkte an.

Da ist zum Beispiel das Unternehmen PlanTech Taiwan, das den Plastiktrinkhalm mit einer nachhaltigen Alternative ablösen möchte. Als Ausgangsmaterial dienen Bambus- und Zuckerrohrfasern, die bei der Landwirtschaft als Abfallprodukt anfallen, oder Kaffeesatz. Nicht nur sind die Trinkhalme dadurch vollständig biologisch abbaubar, sie leisten auch einen Beitrag zur „Circular Economy“, indem Abfallprodukte aufgewertet und wiederverwendet werden.

Ein ähnlicher Gedanke steckt hinter den Rucksäcken der Firma DEYA. Diese werden zum Teil aus recyceltem Meeresplastik hergestellt. „Jedes Jahr treiben mehr als neun Tonnen Müll in den Ozeanen“, so das Unternehmen. Dieser Müll wird letztlich zum Rohstoff für die Rucksäcke.

Eine Mischung aus Funktionalität, Nachhaltigkeit und Ästhetik ist auch das Ziel von Jiunyo. Die Papierbecher des Unternehmens warten mit modernen Designs auf und sind dabei zu 100 Prozent biologisch abbaubar. Die Innenseite ist mit einem Polymer beschichtet, das aus Mais gewonnen wird, und beim Bedrucken der Außenseiten kommen ausschließlich wasserbasierte Tinten zum Einsatz. Das vermeidet Chemikalien, die für Natur und Mensch gleichermaßen schädlich sind.

 

Eine grüne Zukunft?

Hat Taiwan also das Zeug, zum Vorreiter beim Thema Nachhaltigkeit zu werden? Das Land ist auf einem guten Weg, doch noch lange nicht am Ziel. Im „Global Sustainability Index“ belegt Taiwan derzeit den 92ten Rang. Ein rapide wachsendes Bewusstsein für den Klimawandel und seine Auswirkungen lassen jedoch nicht zu Unrecht hoffen, dass Taiwan einer nachhaltigeren und grüneren Zukunft entgegenstrebt.

Vorheriger Artikel

Schlaue Roboter gegen das Corona-Virus

2020-09-29

Schlaue Roboter gegen das Corona-Virus

Nächster Artikel

Virtual Pavilion of Smart Machinery Industry

2020-08-06

Virtual Pavilion of Smart Machinery Industry